Claus Peter Ortlieb: Zur Kritik des modernen Fetischismus

Update [14.08.2020]: Der Schmetterling Verlag hat uns freundlicherweise die Vorbemerkung von Claus Peter Ortlieb und unser Vorwort für die Publikation zur Verfügung gestellt.

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Veröffentlichungshinweis: Der Exit!-Lesekreis [jetzt ex negativo] in HH gibt in der Reihe Black Books des Schmetterling Verlages die Publikation Zur Kritik des modernen Fetischismus. Die Grenzen bürgerlichen Denkens. Gesammelte Texte von Claus Peter Ortlieb 1997-2015 heraus. Das Buch ist im September 2019 erschienen.

«Und auch im Innern der verbliebenen Demokratien sieht es nicht so strahlend aus, wie es die Propagandisten der westlichen Werte gern hätten. Je deutlicher sich das Ende des Kapitalismus abzeichnet, desto stärker klammern sich seine Subjekte an die durch ihn konstituierten Kategorien (Arbeit, Ware, Geld usw.), weil sie fetischistisch an sie gebunden sind. Auch das ist plausibel, weil die aus diesem System Herausfallenden ihr Menschrecht verlieren.»

Claus Peter Ortlieb


Die Publikation ist in drei Teile gegliedert:

  1. Erkenntniskritik: Geldförmige Erkenntnis. Zur Kritik der neuzeitlichen Wissenschaft
  2. Kritik der Aufklärung: Westliche Werte? Aufklärung und Fetisch
  3. Krisentheorie: Im Endstadium. Die letzte Krise des Kapitals

Die Texte haben im Rahmen der wert-abspaltungskritischen Theoriebildung Grundlagen für eine emanzipatotische Gesellschaftskritik geschaffen, die zumindest Ansatzpunkte für die sich stellende Herausforderung einer Überwindung der fetischistisch verfassten Gesellschaftlichkeit einer gebrochenen Totalität bieten kann. Hieraus ergibt sich die hohe Relevanz der Texte von Claus Peter Ortlieb, die mit dieser eigenständigen Publikation erstmals gebündelt vorliegen.

Die zwischen 1997 und 2015 verfassten Beiträge des Buches stehen im Kontext des theoretisch-kritischen EXIT!-Projekts (Exit!-Selbstdarstellung von 2007), welches an die Marx‘sche Kritik der politischen Ökonomie anknüpft. Alleinstellungsmerkmale des Projekts sind zum einen die von Robert Kurz bereits in den 1980er-Jahren ausgearbeitete Krisentheorie sowie die von Roswitha Scholz entwickelte Wert-Abspaltungs-Kritik, mit der über Marx hinaus das Geschlechterverhältnis in die Kritik der kapitalistischen Gesellschaft einbezogen wird.

Claus Peter Ortlieb, emeritierter Professor für Mathematik der Universität HH, war. Autor und Mitglied der Redaktion der Theoriezeitschrift EXIT! Krise und Kritik der Warengesellschaft [1, 2] sowie Gründer des exit!-Lesekreises in Hamburg. Claus Peter Ortlieb ist leider am 15. September 2019 – kurz vor der Auslieferung seines Buches – verstorben.

Rezensionen:

Verweise:

Corona-Pandemie

Aufgrund der zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie als erforderlich erachteten Maßnahmen finden auch im Centro bis auf weiteres keine Veranstaltungen und also keine Treffen des exit! -Lesekreises in Hamburg im CENTRO SOCIALE statt (siehe auch hier).

Update [24.08.2020]»Ich will weder Beruf noch Familie« . Frauen zählen zu den besonderen Verlierern der Pandemie und der Anti-Corona-Maßnahmen. Gespräch der konkret [2020_07] mit der freien Publizistin und Redakteur_in der Theorie-Zeitschrift »Exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft«, Roswitha Scholz.

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Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Texte Rückkehr zur kapitalistischen Normalität? [Juni 2020] und Zur Diskussion um Corona [Mai 2020] von Herbert Böttcher/ Redaktion exit! sowie Corona und der Kollaps der Modernisierung [März 2020] von Roswitha Scholz für die Redaktion von exit! & Herbert Böttcher für den Vorstand von exit! und für das Ökumenische Netz Ende März 2020.

Wir verweisen ergänzend auf den Text „Die Alten“ und die Corona-Krise von Andreas Stückler im Soziologischen Journal der Instituts für Soziologie der Uni Wien vom 29.04.2020 und das Gespräch Das Schwarz-Weiss-Denken mit der Psycholog_in Christine Kirchhoff in der taz vom 30.03.2020.

Zu den Wechselwirkungen mit dem ökonomischen Krisenverlauf zudem folgende Texte von Tomasz Konicz [Blog]:

August 2020

Der Exit!-Lesekreis in HH zur Wert-Abspaltungskritik findet aufgrund der aktuellen Krisenentwicklung (siehe auch die Blogeinträge Corona-Pandemie und Globale Krise […]) bis auf Weiteres im informellen Rahmen statt.

Das Programm für August haben wir wie folgt verabredet: jeweils die abschließenden Kapitel der letzten beiden Publikationen von Tomasz Konicz [Blog], in denen er so etwas wie eine Perspektive – für einen emanzipatorischen „Transformationskampf“ (wobei hier uE  bereits der Begriff selbst kritisch zu hinterfragen ist) zu formulieren versucht.

Kapitalkollaps. Die finale Krise der Weltwirtschaft [2016]
09. Der große Transformationskampf

10. Was kann die Linke tun?

Siehe hierzu auch die entsprechenden Blogeinträge bei Konicz und bei uns, insbesondere das Gespräch von Radio Corax mit Konicz zu seinem Buch Kapitalkollaps sowie die Aufnahme seines Vortrages zur Buchvorstellung in Hamburg (2016).

Klimakiller Kapital. Wie ein Wirtschaftssystem unsere Lebensgrundlagen zerstört [2020]
5.  Jenseits der Apokalypse –  Wege in den Postkapitalismus
5.1  Keine Enteignung ist auch keine Lösung
5.2  Kommunismus = Internet + Räte
5.3  Postkapitalismus ohne Verzicht
5.4  Was tun angesichts der kapitalistischen Klimakrise?

Siehe hierzu auch die entsprechenden Blogeinträge bei Konicz und bei uns. Außerdem der Verweis zu seinem Vortrag im Rahmen der diesjährigen Public Climate School 2020 von Students4Future Kiel: Ankündigung | Vortrag und zwar ab 3:30:00.

Kontakt: kontakt [at] ex-negativo.org

August 2020 Radio fsk

Der Exit!-Lesekreis in HH sendet regelmäßig einen Beitrag unter dem Titel rotten system! rotten world? auf Radio FSK [Freies Sender Kombinat, Hamburg], und zwar immer

  • jeden zweiten Mittwoch im Monat von 08:00 bis 10:00 Uhr vormittags.

Die Beiträge werden auch jeweils im transmitter, der Programmzeitschrift von Radio FSK angekündigt.

Aber im August haben wir einfach mal Pause gemacht. Schön ist, dass auch unabhängig von uns interessante Sendungen laufen, hier am Freitag, den 09. August um 08:00 UhrKritik als Denkform. Von den Voraussetzungen kritischen Denkens [1|2|3] aus der Reihe Sachzwang FM von Dr. Indoktrinator.

Kritisch? ...sind wir doch irgendwie alle. Sollte man meinen. Irgendetwas doof zu finden oder abzulehnen, macht jedoch noch keine Kritik aus, nicht mal ein Urteil. Es ist zunächst eine unverbindliche Befindlichkeitsäußerung. Um also den Unterschied zwischen Gemoser und Kritik herauszukitzeln, muß man tiefer graben; hierzu ist es ebenso notwendig wie lohnend, philosophisch zu werden. (Philosophie = „Freude am Denken“)

An die Wurzeln gehende Gesellschaftskritik sieht sich wegen ihrer extremen Minderheitsposition heute schnell in der Situation eines Menschen, der in eine Irrenanstalt geraten ist, deren Insassen erkennbar alle dem selben Wahn verfallen sind. Jeder Versuch, die Lage zu klären, führt unweigerlich dazu, selbst für verrückt gehalten zu werden. Normal ist schließlich immer die Mehrheit. Claus Peter Ortlieb

Mit Claus Peter Ortlieb (1947–2019) ist im September 2019 ein Denker und Theoretiker verstorben, dem wichtige Impulse in Sachen fundamentaler Gesellschafts- und Wissenschaftskritik zu verdanken sind. Obschon Professor für Mathematik, bestand Ortliebs Leidenschaft darin, die eigenen – beschränkten – Denkformen des Positivismus, jene eingeschliffenen Verfahrensweisen selbstgenügsamen Formalisierens und Modellierens, infrage zu stellen und in subversiver Absicht zu überschreiten. Wir präsentieren heute einen bemerkenswerten Aufsatz Ortliebs aus dem Jahr 2000, dessen Titel schon für sich spricht: Gesellschaftskritik als Erkenntniskritik. Anmerkungen zu der Frage, warum Kritik der Theorie bedarf und wo deren Grenzen liegen. Denn oft wird man sich ja schon mal gefragt haben, warum – eigentlich evidente – kritische Basisbanalitäten bei so wenigen Leuten verfangen, sprich auf intellektuelle Resonanz stoßen. Inwiefern also Schwierigkeiten der Erkenntnis (oder auch nur Widrigkeiten des Erkenntnisinteresses) auf der Seite der Rezipienten zu suchen sind oder nicht doch auch im Gegenstand selbst. Leute, die der weitverbreiteten Ansicht sind, die real existierende sei zwar nicht die beste aller Welten, aber doch die einzige, müssen sich fragen lassen, wie ernst sie sich selbst nehmen.

Ähnlich grundsätzlich versucht Leo Elser in einem Vortrag aus dem Jahr 2011, Wesensmerkmalen gelingender Kritik nachzuspüren. Nach Marx ist die Kritik der Religion die Voraussetzung aller Kritik. Doch besteht auch in Zeiten wie den unseren, in denen das Bekenntnis gegen die etablierte Religion zum guten Ton gehört, kein Mangel an Götzen, die der „durch seine Gesundheit erkrankte Menschenverstand“ (Adorno) aufbietet, um nur eines nicht werden zu müssen: Vernunft. Vernunft und Kritik, die in unvernünftigen Verhältnissen notwendig dasselbe sind, teilen mit der traditionellen Theologie aber ihren Bezug auf das Ganze und den Anspruch auf Wahrheit. So wie sich die bloße Meinung gegen die Kirche als Religionskritik mißversteht, so auch die Meinung gegen die Banken als Kapitalismuskritik. Beides ist mitnichten „verkürzte Kritik“, die aufs richtige Maß zu verlängern sich linke Intellektuelle zur Aufgabe gemacht haben, sondern zum Ressentiment versteinerte Denkform dessen, was ohnehin ist, aber nicht mehr sein darf, wenn Vernunft wirklich werden soll.

Alles Denken - ohne Ausnahme - ist in seinen Formen durch die Gesellschaft determiniert, in der es stattfindet. Claus Peter Ortlieb

Leider ist die Sendung bislang nicht frei verfügbar.